Natürlich gibt es ganz grundsätzliche kulturelle Unterschiede und es unbedingt anzuraten, dass der Berlinbesucher sich möglichst langsam an die neue Kultur herantastet. Vergleichen wir Standardsituationen beim Einkaufen im Supermarkt:
Wir brauchen Hilfe, die Reaktion in El Cerrito: “Yes Sir, how can I help you?”; In Berlin: “Ik kann jezze net, det sehnse dooch!”.
Wir bekommen Hilfe in El Cerrito: “That’s next to the eggs, let me walk you over.”; In Berlin: “… bei-e Ei-a!!”
Abschluss des Auskunftsersuchens in El Cerrito: “Is there anything else I can help you with, Sir?”; In Berlin ist schon lange niemand mehr da.
Der Einkaufsvorgang selbst läuft ab wie gewohnt. Es stimmt, dass die Auswahl an Brot sich nicht gut deckt mit dem deutschen Geschmack und ich finde die Auswahl an Aufschnitt (insbesondere Salami) und an Süßigkeiten (insbesondere Schokolade) schwierig. Dafür gibt es auf hohem Niveau Auswahl an Obst und Gemüse und insgesamt sehr viele Produkte, Qualitäten und Geschmacksrichtungen. Milch zum Beispiel gibt es als H-Milch oder Vollmich oder Laktosefrei und mit wenig Fett oder mit viel Fett oder jeder möglichen Abstufung dazwischen, mit oder ohne Vitamin D, oder als Bio oder aus der chemischen Kuh, oder, oder oder. Für jeden Sonderling gibt es eine Milch und ich greife meistens die falsche.
Begrüßung an der Kasse in El Cerrito: “Hello Sir, how are you today? Did you find everything OK?” In Berlin: Piep. Piep. Möööb… “EEERIKAAA, wat kostn dö Ei-a!?!”
An der Kasse ist die bevorzugte Form der Zahlung die Kartenzahlung. Mich verwundert das, denn der Ablauf ist ein sehr langwieriger, ultra komplexer und mehrstufiger Prozess. Der Zahlungsvorgang wird durch das Durchziehen der Karte durch das Lesegerät initiiert und es empfiehlt sich, damit gleich schon nach dem Scannen des ersten Artikels anzufangen. Auf dem Display sind dann reichlich Fragen zu beantworten: “Ist das eine Kreditkarte (Creditcard) oder eine Ec-Karte (Debitcard)?” – “Wollen sie für die Krebsforschung spenden?” – “Haben Sie eine Kundenkarte? (Kundenkarte durchziehen oder Telefonnumer eingeben, dazu später mehr)” – “Wollen Sie Geld von Ihrem Konto ausgezahlt bekommen?” – “Ist der Betrag in Ordnung?”. Gleichzeitig jongliert man sich in einer Fremdsprache mit dem Kassierer die Smalltalk – Bällchen hin und her, das ist jedenfalls nicht trivial. Immerhin ist anschließend auch schon alles in viele, viele Plastiktüten oder in mitgebrachte Taschen eingepackt und zwar umsichtig, die Ei-a immer oben. Ältere Kunden bekommen die Sachen ins Auto getragen.
Verabschidung an der Kasse in El Cerrito: “Enjoy your evening, Sir!”; In Berlin:”hm …ö.”
Zeitlich denke ich mir folgende Reihenfolge: Erst wird man in der Szenekneipe gesiezt, dann werden die Einkäufe ins Auto getragen und schließlich bietet in der Ubahn die schwangere ihren Sitzplatz an. Dann ist es auch bald geschafft.
Bei praktisch allen großen Ketten (nicht nur Supermärkte) gibt es ordentlich Rabatte bei der Nutzung einer Bonuskarte. Dazu füllt der Kunde ein Formular aus, Name, Anschrift und Telefonnummer werden abgefragt und schon kann zukünftig durch Vorlage der Karte oder durch Eingabe der Telefonnummer gespart werden, während das Geschäft den Datensatz um die Erkenntnisse aus den Einkaufsgewohnheiten vervollständigt und später verkauft. Natürlich sind auch die Amerikaner nicht scharf auf Werbeanrufe und mit dem IQ des Kunden steigt daher die Wahrscheinlichkeit, dass die Daten auf dem Formular ins Daten-Nirvana führen. Ganz schlaue Kunden geben zumindest eine Telefonnummer an, die sie sich gut merken können, zum Beispiel die 867-5309 aus dem populären Song “Jenny” (Ein One-Hit-Wonder, 1982). Noch schlauere Kunden füllen gar nichts aus, sondern nehmen gleich die Nummer. Die USA sind groß und es gibt ausreichend “ganz schlaue” für die etwas weniger “noch schlaueren”.
Wenn Ihr also beim nächsten USA Urlaub aus dem HomeDepot Baumaterial braucht, um im Motel eben mal was abzudichten – Greift Euch die Rabatte!
Tolle Serie! Ich konnte mir das Grinsen nicht verkneifen! Weiter so!!!
AK 2 aus dem verregneten Z
Piep. Piep. Möööb… “EEERIKAAA, wat kostn dö Ei-a!?!”
Absolutes Highlight! 🙂
Mir scheint, in diesem sehr gelungenen mehrsprachigen Beitrag fehlen leider die Übersetzungen für die Lesefreunde außerhalb von Berlin:
“Ik kann jezze net, det sehnse dooch!” – Meine offensichtlich erkennbare aktuelle Tätigkeit lässt eine Beschäftigung mit Ihrem Problem gerade nicht zu!
“… bei-e Ei-a!!” – Dort, wo die Eier stehen!
”hm …ö.” – Hau endlich ab, da warten noch mehr!
Also, inner Werbung im Färhnsehn heißt dat: EEERIKAA, wat kostn de Kondooohme?
In Deutschland wird ja auch viel getan, um das Einkaufserlebnis zu verschö… äh, zu verändern. Da werden Mitarbeiter einer großen Supermarktkette angehalten, nach dem Bezahlvorgang den Kunden zu fragen, ob alles in Ordnung war. Das klappt in Köln, in Berlin eher weniger. Schwierig wird es auch dann, wenn etwas nicht in Ordnung war. Das kam halt in der Schulung nicht dran.
Oder die Super-Rabatte. Das machen die in Deutschland so: Drogeriekette in den Abgrund wirtschaften, Insolvenz anmelden, ein bisschen politisches Hickhack, zehntausende freundliche Angestellte (“Erikaaaaa, mööb”) erhalten die Chance, sich beruflich in eine andere Richtung zu entwickeln und dann gibt es einen Knaller-Ausverkauf ganz ohne Kundenkarte.
Ach, und wenn der Opa seine Einkäufe nicht mehr tragen kann, hat die bucklige Verwandschaft einen Grund, ihn in die Obhut einer Altenverwahranstalt zu geben und das Erbe dazu zu nutzen, kräftig bei Totalausverkäufen mitzumischen.
Alles etwas pragmatischer hier.
5 Kommentare! Folge 3 ist gesichert… Ich warte schon ungeduldig!!!
Beijinhos aus Z
Ak 2