Wer zahlt eigentlich Steuern?

Vor einigen Jahren hat mich ein Handwerker mit der Aussage überrascht, ihm sei die Umsatzsteuer egal, sie würde ja von seinen Kunden bezahlt. Was wohl sei, gab ich zu bedenken, wenn eine ausufernde Umsatzsteuer den Preis seiner Dienstleistungen in Höhen triebe, in denen eisige Winde wehen, aber nichts mehr wächst? Darüber dachte er einen Moment nach. In den Höhen, so schloss er schließlich, hätte er vermutlich auch keine Kunden mehr. Aber falls doch, müssten die jedenfalls die Umsatzsteuer zahlen. Damit war die Sache für ihn abgeschlossen, er ging die verstopften Herrentoilette an und ließ  mich nachdenklich zurück: Wie verstopft eine Herrentoilette? Ein Lederschuh? Aber warum?

Die Sache ist nicht unmittelbar eingängig und ich möchte das spannende Thema mit Euch vertiefen: Wer zahlt die Steuer? Wirtschaftswissenschaftler haben darauf eine Antwort, sie lautet: Das kommt darauf an. Nämlich auf die Preiselastizität der Nachfrage. Also darauf, wie stark der Käufer auf Preisänderungen reagiert. Je preiselastischer die Nachfrage, desto schneller sinkt die Nachfrage bei steigenden Preisen, entweder weil die Kunden ganz verzichten oder auf Margarine ausweichen*. Zwei nebeneinander aufgestellte Getränkeautomaten sind sehr** preiselastisch, links Cola in Flaschen, rechts dasselbe Volumen Cola in Dosen: Welches Produkt auch immer auch nur minimal teurer ist, es wird nicht mehr gekauft. Eine Steuer auf Dosen hätte also keine Auswirkungen auf den Preis am rechten Automaten, sondern nur auf die Gewinnmarge des Betreibers, er zahlt die Steuer (ob er seine Dosen trotzdem weiter anbietet, hängt nun von der Preiselastizität des Angebots ab, aber das ist eine andere Geschichte und soll ein andermal erzählt werden). Umgekehrt ist die Situation bei Insulin, ein sehr** preisunelastisches Gut. Eine Preiserhöhung wird kaum Auswirkungen auf die Absatzmenge haben und eine Steuer auf Insulin würde vollständig vom Verbraucher bezahlt. Ähnlich wie z.B. Steuern auf Drogen, Heroin, Hasch, Nikotin, Crack, Preiserhöhungen haben hier wenig Auswirkungen auf die Absatzmengen.

Persönlich bin ich der Ansicht, dass verstopfte Toiletten unelastisch sind. Unelastisch sozusagen aus Gründen der persönlichen Präferenz, das Problem lieber mit Geld als mit Gummihandschuhen zu lösen. Was also haben Heroin, verstopfte Toiletten und Insulin gemeinsam? Wenn wieder jemand fragt, habt Ihr jetzt darauf eine gute Antwort.

Die Proposition 29 ist knapp abgelehnt worden, es gibt keine höheren Steuern auf Kippen in Kalifornien. Was lernen wir?

1) Die Tabakindustrie hat 42 Mio. Dollar für Kampagnen gegen die Steuer ausgegeben und das obwohl die Steuer hauptsächlich die Verbraucher und kaum die Gewinnmargen betroffen hätte.

2) Die Tabakindustrie hat 42 Mio. Dollar für Kampagnen gegen die Steuer ausgegeben und damit die direkte Demokratie gegen die Vernunft aber in ihrem Sinn beeinflusst.

3) Die Tabakindustrie hat 42 Mio. Dollar für Kampagnen gegen die Steuer ausgegeben und weil das hehre Ziel (mehr Krebsforschung) unangreifbar war, wurde erfolgreich der Weg dorthin demontiert.

Folks, that’s it for today. Homework: Wer zahlt meine Lohnsteuer und wäre ohne Steuer mein Brutto mein neues Netto? (nicht mehr als 100 Worte, wird eingesammelt!)

 

* statt Butter  ** praktisch unendlich

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3 Responses to Wer zahlt eigentlich Steuern?

  1. Marco says:

    Die Preiselastizität… Oh wie schön ich mich gerade in mein VWL-Modul zurückversetzt fühlte… 🙂

    Was diese Modelle aber alle außer Acht lassen sind die Emotionen, die eine Rolle spielen und mit denen gerade die Industrie spielt. Dem Verbraucher ist es ja schnurzegal wer da wirklich die Steuern zahlt. Der kennt im Prinzip nur “Haben wollen” (= mehr oder minder starke Emotion, Bedürfnis) und “Haben können” mit sowohl harten Faktoren wie der Geldmenge im Portemonnaie, aber auch Softskills wie “meine Frau erlaubt/weiß nichts um mein Tabakbedürfnis, also kaufe ich im Polen-Urlaub keine Zigaretten, denn da ist sie ja dabei). Soviel zur modellhaften Preiselastizität auf Nachfragerseite, die taugt nämlich nicht immer.

    Tja, und da die Unternehmen immer mehr Emotionen gegenüber ihren Nachfragern einsetzen, weil auch die das begriffen haben (wen würde die Persil-Werbung von 1982 heute noch hinter dem Ofen hervorlocken?) verstrickt man das ganze nicht nur mit einer direkten Medienpräsenz durch Werbung, sondern macht gleich eine großangelegte Kampagne daraus, gerne auch mit Lobby-Unterstützung. Denn was gibt’s besseres als aus dem Werbeblock direkt in die Tagesschau zu rutschen?

    Und deswegen ist’s letztendlich den Unternehmen wie den Nachfragern auch Wurst wer die Steuern zahlt. 🙂 Das interessiert lediglich ein paar Buchhalter, die, wie ich finde, bei Dilbert korrekt als Kobolde dargestellt wurden, die in dunklen Kellern hausen.

    Deshalb mache ich auch die Hausaufgabe nicht. So. 🙂

  2. BS aus B (ohne A, der gerade in F - aber das geht jetzt hier zu weit...) says:

    Auch wenn die Frage für alte VWL-er wie Marco irrelevant ist, ruft sie offensichtlich Emotionen hervor. Sehr gut, weiter so! Wir hängen Dir an den Lippen 🙂

  3. freckiworldwide says:

    Lass das nicht die Burschen von der CFA merken…..

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