Das Arbeitsleben II

Im wesentlichen Arbeiten die Kalifornier genauso wie die Deutschen. Nicht mehr oder weniger effizient, nicht mehr oder weniger konzentriert und – ganz ehrlich – auch nicht mehr oder weniger lange. Bezahlte Urlaubstage sind gesetzlich nicht vorgeschrieben, es gilt, was vereinbart wurde. Üblich sind 10 Tage für einen Berufsanfänger, das werden mit der Zeit der Zugehörigkeit zum Unternehmen schnell mehr. Ich kenne allerdings auch jemanden, der gleich 38 Urlaubstage in seinem Arbeitsvertrag stehen hatte (mit Sicherheit die Ausnahme). Zu den Urlaubstagen kommen dann noch meistens 7 “personal days”, die als Ersatz für nicht vorhandene religiöse Feiertage gedacht sind, aber auch für Krankheitstage. Feiertage werden vom Unternehmen festgelegt, von den Mitarbeitern erwartet werden mindestens 10 Feiertage, die nicht auf ein Wochenende fallen. Unbezahlte Urlaubstage sind in der Regel kein Problem und wenn der Mitarbeiter mal erst gegen Mittag ins Büro kommen kann, dann ist das trotzdem ein voller Arbeitstag.

Home Office ist sehr verbreitet, die Kommunikation erfolgt über Email, telefoniert wird sehr wenig. Ein Festnetztelefon auf dem Schreibtisch hat meistens nur noch der Empfang, alle anderen Büronummern werden über Voip auf die Mitarbeiterhandys weitergeleitet.

Der Arbeitstag an sich geht von 9:00 Uhr morgens bis 17:00 Uhr Nachmittags, manchmal auch bis 18:00 Uhr. Davor und danach sind die Büros leer. Führungskräfte schreiben schon mal eine Email von Zuhause, aber gearbeitet wird in der Freizeit in der Regel nicht, Freizeit und Familie ist den Kaliforniern wichtig und heilig.

Die Urlaubsreise geht meistens nach Hawaii, Kanada ist zu kalt und nach Mexiko reisen die Kalifornier genauso wenig wie die Deutschen nach Polen. Die Kalifornier sagen, Hawaii sei das Paradies. Kann ich nicht nachvollziehen, ich war noch nie da. Ich glaube, als Deutscher sollte man seine Seele auch nicht gleich überfordern. Also Hawaii erst, wenn uns Kalifornien langweilt. Und das ist noch nicht abzusehen.

Es gibt drei Arten von Büros: Offene Großraum bueros oder “Cubicles” mit hohen Stellwänden (kannste im Stehen nicht drüberschauen) oder niedrigen Stellwänden (kannste nur im Sitzen nicht drüberschauen). Dass man von seinem Schreibtisch aus nicht sieht, wie das Wetter draußen ist, ist betrüblicherweise der Normalfall. Getränke (Wasser, Soda, Kaffee) und Essen (Obst, Joghurt, Snacks) sind für die Mitarbeiter meistens kostenlos. Bei manchen (eher großen) Arbeitgebern ist auch das Mittagessen kostenlos.

Der Umgangston ist freundlich, aber Freundschaften unter Kollegen sind die Ausnahme, das Arbeitsleben wird vom Privatleben ferngehalten. Es gibt keinen “Einstand” oder “Ausstand” und angeredet wird jeder mit Vornamen, meisten in vier Buchstaben oder weniger: Jennifer wird zu Jen, William wird zu Bill und Thomas wird zu Tom. Aber nicht automatisch, wenn Thomas sich als Thomas vorstellt, dann wird er nicht Tom genannt. Mit Adelstiteln können die Amerikaner bestenfalls nichts anfangen, schlechtestenfalls macht man sich damit  lächerlich. Akademische Titel stehen im Lebenslauf und sonst nirgendwo.

Fehler werden indirekt angesprochen “The file did not save.” und geschrien oder gerufen wird nie. Witze, Sprüche oder abwertende Bemerkungen über andere (auch andere Unternehmen) sind vollkommen verpönt. Ich schätze dass ein einziger frauenfeindlicher (oder auslaenderfeindlicher oder schwulenfeindlicher oder antisemitischer) Witz einen Mitarbeiter den Job kosten kann.

Gehalt gibt es alle 14 Tage und nicht an einem bestimmten Tag im Monat. Der Arbeitgeber muss die Rentenversicherung und die Arbeitslosenversicherung bezahlen und Teile der Krankenversicherung. Oder, besser gesagt, der Arbeitgeber muss die Beträge abführen, “Bezahlen” im Sinne von “Dafür arbeiten” muss natürlich der Arbeitnehmer.

So ist das Arbeitsleben in Kalifornien, zumindest für diejenigen, die in irgendeiner Form eine brauchbare berufliche Ausbildung haben. Wer mit nur mit einem Schulabschluss bei Walgreens oder Amazon Regale einräumt oder bei Google das Gelände bewacht, für den ist die Arbeitswelt eine andere, das ist in Kalifornien nicht anders als in Deutschland auch.

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