Ein Deutscher aus Amerika in Deutschland

Nichts ist in Kalifornien so deutsch wie ein Airbus der Lufthansa nebst Besatzung. In der Reihe vor uns wird ein Fluggast von der Stewardess ordentlich rundgemacht, er solle endlich die Lehne in eine aufrechte Position bringen und seine Füße gehören auch nicht an die Wandpanele, ob er das Zuhause auch mache? “Ja, schon, it’s comfy?”, gibt der zurück, aber die Stewardess ist schon weitergelaufen, widerspruch ist nicht vorgesehen. Ein Airbus der Lufthansa nebst Besatzung ist Deutschland, selbst auf einem kalifornischen Rollfeld.

Der Flughafen München macht einen sehr ordentlichen Eindruck, allerdings auch wieder stickig und viel zu warm, Klimaanlage kaputt? Sehr viele Menschen tragen Anzug und Kravatte, gern auch zu lang oder zu kurz gebunden. In Kalifornien ist das (weiße) Hemd zu Jeans und dunklen Schuhen die angemessene business attire, Stoffhose oder sogar Jacket sind schon sehr förmlich und Kravatte is basically unheard of. Wir rasten kurz an einem Podium mit Autowerbung: “Wollten Sie nicht schon immer einen Golf mit 300ps fahren?” – “Ähm… nein? Weder das eine noch das andere?”

Der erste Tag in Deutschland, es ist grau und verregnet, dafür ist alles satt grün, leuchtend fast. Und es riecht frisch. Auf der Autobahn rauscht Stoßstange an Stoßstange ein Rudel Kleinwagen an uns vorbei, der letzte hat ein “Baby on Board”.  In Lüneburg hat es auf offener Straße eine Bandenschießerei gegeben, should I be concerned? Die amerikanischen Behörden haben soweit noch keine Reisewarnung für Deutschland herausgegeben. In der Innenstadt gibt es in diesen Tagen jedenfalls mehr Polizisten als Kinder.

Die chemische Reinigung für meine Hemden habe ich nur gefunden, weil zwei ältere Damen überschwenglich freundlich mir den Weg gezeigt haben. Den positiven Eindruck hat die Fachverkäuferin gleich wieder ausgeglichen und mich angepampt, weil ich “Kleiderhaken” sagte und nicht “Kleiderbügel”. Dabei sieht sie mich an, als sei ich die letzte Lusche und nicht ihr einziger Kunde in dem Moment. Und Kartenzahlung geht nicht, nur Bargeld.

Nach zwei Jahren USA benehme ich mich in meinem Land wie ein Fremder. Es würde nicht lange dauern, sich wieder anzupassen, aber nach der Zeit ist jedenfalls vieles in Deutschland auffällig: Das viele Grün, das Leitungswasser schmeckt nach Stein (und nicht nach Chlor). Die vielen verbissenen Gesichter , aber auch die Hilfsbereitschaft. Die Ernsthafte Verlässlichkeit und Qualität, aber auch die Besserwisserei und die getragene Wichtigtuerei. In Deutschland ist der Job unkündbar und die Wohnung auch, die Wochentage sind fest verplant (Bundesliga, Tatort, Golf und Spieleabend). Sicherheit ist wichtig und Schicksal ist meistens negativ.

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